Peter Parker, ein schüchterner Schüler, wird von einer
radioaktiven Spinne gebissen und entdeckt, daß er die Kräfte
einer menschlichen Spinne besitzt. Er versucht, seine Kräfte in Geld
umzumünzen bei Ringkämpfen und tritt als kostümierter "Spinnenmensch“
im Fernsehen auf. Als ein Krimineller an Spider-Man vorbeirennt, weigert
er sich den Flüchtigen zu stoppen. "Tut mir leid, dafür sind
sie da“, sagt Spider-Man dem Cop. "Mich kommandiert niemand herum.
Von jetzt an kümmere ich mich nur noch um Nummer Eins - und das bin
ich!“
Als Peter Parker einige Tage später nach Hause kommt, wo er mit
seiner Tante und seinem Onkel lebt, steht die Polizei vor der Tür.
"Mein Beileid Junge! Dein Onkel ist erschossen worden!“ Peter wechselt
in sein Spider-Man Kostüm und stellt den Mörder. Als er ihn erkennt,
ist er entsetzt.. "Das ist der Dieb, der an mir vorbeilief und den ich
nicht aufhielt, als ich die Gelegenheit dazu hatte!“ Parker fühlt
sich schuldig am Tod seines Onkels. Die erste Spider-Man Geschichte endet,
als eine stille, hagere Gestalt in die dunkler werdende Nacht hinausgeht...
mit der Erkenntnis, daß in dieser Welt große Macht mit großer
Verantwortung gepaart sein muß!“ So beginnt die Saga um Spider-Man
in Amazing Fantasy #15 im August 1962.
Von Anfang an war Spider-Man ein Held mit Problemen. Die Schuld
an dem Tod seines Onkels und die finanzielle Belastung seiner Tante
May waren nur der Anfang. Als Spider-Man ist er unverstanden und wird
als öffentliche Bedrohung abgestempelt. Als Peter Parker hat er Geldsorgen
und Mädchenprobleme. Selbst sein Kostüm muß er sich
selber nähen und sticht sich dabei in den Daumen. Das war es, was
Spider-Man beliebt machte. Niemals zuvor sah man einen Superhelden sich
mit Alltagsproblemen herumplagen. Niemals zuvor agierte ein Teenager
als Superheld oder ein Superheld als Teenager. Die Leser konnten sich
mit der Figur identifizieren, während wohl kaum jemand etwas mit einer
omnipotenten Figur wie Superman gemein hat.
Der damalige Verleger Martin Goodman haßte die Idee. Menschen mögen keine Spinnen und keiner will etwas über einen Superhelden lesen, der mit Schularbeiten und einer alten Tante belastet ist. Stan Lee, der legendäre Marvel-Begründer, mußte all seine Clevernes aufbieten, Spider-Man an den Leser zu bringen. Jack Kirbys (Fantastic Four, Capt. America) Vorschläge überzeugten Stan Lee nicht. Sie entsprachen zu sehr dem traditionellen Superhelden Cliché. Lee wollte einen schlaksigen Teenager. Steve Dikto, Zeichner vieler Monster und Mystery- Geschichten war sein Mann. Ihre Zusammenarbeit brachte den schlanken, unglaublich agilen, oftmals unheimlichen Netzschwinger mit seinen sechsten Sinn und viel Humor hervor. In der dem Tode geweihten Serie Amazing (Adult) Fantasy bekam Stan Lee die Chance, seinen Spider-Man in der letzten Ausgabe unterzubringen. Diese verkaufte sich großartig. Im März ‘63 erhielt Spider-Man seine eigene Serie und wurde dem entstehenden Marvel- Universum hinzugefügt.
Bereits die ersten 15 Ausgaben legten das Fundament für den phänomenalen
Erfolg von Spider-Man. Über Jahrzehnte blieb dieses Konzept fast
unverändert. Die Serie erhielt eine starke Besetzung von Nebencharakteren.
An erster Stelle wäre Tante May zu nennen, die resolute, alte
Dame, die Peter nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes alleine großgezogen
hat und einige Herzattacken zu überstehen hatte. Der Verleger des
Daily Bugle J. Jonah Jameson, der es zu seiner persönlichen
Mission gemacht hat, Spider-Man zu diskreditieren und dabei auch vor nicht
ganz so legalen Methoden zurückschreckt. Ironischerweise ist Peter
Parker sein bester Fotograf, der seine Heldenaktivitäten auch dazu
nutzt, mit Spider-Man-Fotos seine Kasse aufzubessern. Zu Peters Kumpels
gehören High School Footballstar Flash Thompson, der Parker
in der Schule gehänselt hatte, aber der größte Spider-Man-Fan
war. Nach der Rückkehr aus Vietnam freunden sich beide an. Harry
Osborn, Peters Zimmergenosse aus seiner Collegezeit, Sohn des Großindustriellen
Norman Osborn alias der Grüne Kobold. Später wird er selbst
zum Grünen Kobold und spielt eine wichtige Rolle in den revolutionären
Anti-Drogen Ausgaben.
Peters erste, echte Romanze begann mit Betty Brant, J.J.J.s
Sekretärin. Ihr spätere Mann, der Daily Bugle Reporter entpuppt
sich als der (erste) Gnom (Hobgoblin). Die andere Flamme aus Highschool-Tagen
war Liz Allen, die dann Harry Osborn heiratete. Auf dem College
lernt Peter Parker Gwen Stacy kennen. Die Liebe endet mit ihrem
tragischen Tod durch Norman Osborn, den Grünen Kobold. Ihr Vater,
der verstorbene Polizeioffizier Captain Stacy, war die zweite Person,
die die wahre Identität von Spider-Man kannten. Über Monate versuchte
Peter das von seiner Tante und ihrer Nachbarin arrangierte Blind Date mit
Mary Jane Watson aus dem Weg zu gehen. Schließlich hatten
sie ihn so weit, daß er sich nicht mehr drücken konnte (#42,
1966). Diese glückliche Begegnung endete viele Jahre später mit
der Heirat der beiden (Amazing Spider-Man Annual #21, 1987).
Spidey hat es geschafft, die miesesten Superschurken aller Zeiten hervorzubringen.
Neben dem schon erwähnten Grünen Kobold sind es Doktor
Octopus, der Geier (Vulture), die Echse (Lizard), der Sandman, Kraven der
Jäger, Elektro, Mysterio, der Skorpion, Venom und viele andere.
Schon dieser Versuch, über 35 Jahre Spider-Man in einen Artikel zusammen zufassen, macht den Soap- Opera-Charakter von Superhelden- Comics deutlich. Superhelden Comics sind mit der amerikanischen Mentalität, Pop Kultur und Comicgeschichte eng verbunden. Sie sind derart dominant, daß andere Genres nur ein Schattendasein fristen. Aus europäischer Sicht ist das manchmal schwer nachzuvollziehen. Doch darauf näher einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen.
Wie die meisten Marvel-Zeichner hatte auch Steve Ditko ziemlich viel Freiheiten die Geschichten zu zeichnen und Sub-Plots zu entwickeln. Uneinigkeit gab es zwischen Stan Lee und Steve Ditko über die Geheimidentität des Grünen Kobolds. Dikto wollte, daß der Kobold ein krimineller Niemand ist, Lee dagegen wollte ein dramatisches Ende und bestand darauf, daß einer der Nebenfiguren der Grüne Kobold ist. Ditko weigerte sich und wechselte zu DC. Mit der #39, 1966, übernahm John Romita Spider-Man und führte die Handlung zu Ende. Zuvor zeichnete er romantische Tagesstrips, in dem jeder Charakter glamourös und idealisiert war. So sehr sich Romita auch bemühte, er konnte Peter Parker nicht als schmächtigen Jüngling zeichnen. Immer kam ein "Fotomodell“ dabei heraus. Jahrelanges Training ließen sich nicht so einfach abschütteln. Schließlich gaben es Stan Lee und John Rominta auf und entschieden sich, Peter reifer werden zu lassen und mehr Selbstvertrauen zu entwickeln. Die John Romita Ausgaben gehören mit zu den beliebtesten und erfolgreichsten Spider-Man Heften. The Amazing Spider-Man wurde Marvels Flaggschiff und Amerikas populärster Superheld.
Viele unvergessene Geschichten sind in den Jahrzehnten entstanden.
1970 bat das Office of Health, Education and Welfare in Washington
Marvel Comics, eine Geschichte über die Gefahren von Drogen in einen
ihrer Serien zu bringen. Am liebsten natürlich in Spider-Man, der
zu der Zeit schon der beliebteste Comicheld war. Marvel ließ sich
nicht lange bitten. Dennoch sollte die "Botschaft“ nicht so plump im Vordergrund
stehen, daß sie wie eine Moralpredigt wirkt. Andererseits mußte
die "Botschaft“ deutlich ‘rüberkommen. Die Antwort war, das Drogenthema
als Sub-Plot spielen zu lassen, ohne die Action oder Spannung des regulären
Heldenthemas im Wege zu stehen. Die Comic Code Authority verweigerte
seine Zustimmung zu dieser heiklen Geschichte. Marvel Comics seinerseits
weigerte sich etwas zu ändern. Also erschienen die Amazing Spider-Man
Ausgaben #96-98 (1971) ohne das CCA Siegel. Es war das erste Comicheft
seit der Einführung des CCA 1955, welches ohne "approval“ erschien.
Diese Ausgaben (und Green Latern #85 & 86) führten zur Liberalisierung
des Codes.
Gwen Stacy mußte sterben, weil Stan Lee und John Romita von ihr
gelangweilt waren. Sie war einfach zu nett, um interessant zu sein. Mary
Jane war das aufregende Mädchen mit Persönlichkeit, über
die es etwas zu erzählen gab. Nach dem Ableben von Gwen übernahm
sie die dominante, weibliche Rolle in der Serie. Der Tod von Gwen Stacy
gehört immer noch zu den meistgesuchtesten Heften (#121 & 122,
1973) überhaupt.
Als Spider-Man sein neues, schwarzes Kostüm erhielt (#252,
1984), plante man es nur für kurze Zeit zu behalten. Doch die Reaktionen
waren so überwältigend - nicht nur von den Fans, sondern auch
vom Medienecho- daß Spidey es noch viel länger behalten durfte.
Als er dann wieder in sein traditionelles blau-rote Outfit schlüpfte,
war die Resonanz gleichermaßen positiv. Fans bevorzugen trotz allem
das Altbewährte. Aus dem Alien-Symbionten des Kostüms ging später
der psychopathische Superschurke Venom hervor.
Der Tod von Kraven dem Jäger (#293, 294 u.a. 1987)
gehört mit zu den besten Spider-Man Geschichten, die je geschrieben
worden sind. Kraven begräbt Spider-Man lebendig und nimmt seine arachnide
Identität an. Der Sechsteiler ist ein Psychothriller in die Abgründe
der menschlichen Seele, der in dem Selbstmord von Kraven gipfelt. Marvel
wurde beschuldigt, Selbstmord zu glorifizieren. Aufgrund der entfachten,
kontroversen Diskussion sah sich der Verlag veranlaßt, eine Geschichte
hinterher zuschieben, die Kravens Freitod als die Tat eines kranken, verwirrten
Mannes darstellt.
Mitte der 90er dümpelte die Serie vor sich hin. Die Luft war raus. Nicht nur Spider-Man, sondern das ganze amerikanische Comic-Business befand (und befindet sich noch immer) im Abwärtstrend. Nach der Heirat mit Mary Jane wurde Peter Parker zu bürgerlich. Doch die Sache mit Spider-Man ist, er muß Probleme haben. Die Verkaufszahlen waren nicht berauschend. Ein Knaller mußte her. DC hatte es geschafft, mit dem "Tod“ von Superman weltweites Medieninteresse und einen Verkaufshit zu landen. Man begann die "Clone-Saga“ zu entwickeln, die zunächst recht vielversprechend begann, dann aber völlig konfus wurde mit etlichen Clones von Gwen, Parkers toten Eltern, wiedergeborenen Schurken und mutierten Fehlschlägen. Die Story begann so absurd zu werden, selbst nach Superhelden Maßstäben, daß keiner mehr durchstieg. Als dann auch noch Ben Reilly der wahre Spider-Man sein sollte und nicht mehr Peter Parker, fühlten sich die Fans betrogen. All die Jahre hatte man die Abenteuer einer Fälschung verfolgt?! Es gab wütende Protestaktionen, Haßbriefe und langjährige Spider-Man Fans kündigten ihr Abo. Die Leser rannten in Scharen davon. 1996 sank Marvels ehemaliger Bestseller Amazing Spider-Man auf eine Auflage von 235.000 Stück. Das war ein Sturz um 60% gegenüber 1993 und ein 30-jähriges Rekordtief! Der neue Chefredakteur Bob Harras, kaum im Amt, zog die Notbremse und begann alles wieder umzukrempeln, um den alten "Status Quo“ herzustellen. Von diesen Schock hat sich Marvel Comics bis heute nicht erholt. Letztes Jahr stand der Verlag kurz vor dem Konkurs, und die Verkaufszahlen von Spider-Man sind immer noch im Keller. Hat man einmal seinen Leser verloren, bleiben sie i.d.R. der Serie fern - für immer.
Derzeit besinnt man sich auf alte Tugenden und hat erfahrene Veteranen
an Bord geholt, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollen. John Byrne
wird in einer 12-teiligen Maxi-Serie die Geschichte des Wandkrabblers neu
erzählen. Danach plant man alle Titel mit der #1 neu zu starten.
Dasselbe hat es schon bei DC mit Superman gegeben. Auch dort war es John
Byrne, der den Kryptoniden retten mußte. Mit der Bemerkung "Das haben
wir nicht nötig. Wir haben es von Anfang an richtig gemacht“, spottete
Marvel immer hämisch auf DC, als sie Mitte der 80er ihr Universum
neu definieren mußten. Jetzt ist es Marvel Comics, die alle Titel
neu startet, um ihre Klassiker zu retten. Hoffen wir auf einen glücklichen
Neuanfang. Dein freundlicher Nachbar Spider-Man hätte es verdient.
Die Spinne, wie sie jahrelang in Deutschland genannt
wurde, erschien das erste Mal im September 1966 in Hit Comics #1.
des Bildschriftenverlages (BSV). Leider waren die Ausgaben des BSV
erbärmlich. In schwarz/weiß auf schlechtem Papier gedruckt,
erschienen verschiedene Marvel Serien unchronologisch, in verwirrender
Numerierung und schlecht übersetzt. Diese lieblose Verlagspolitik
wurde später leicht korrigiert, doch da war es schon zu spät.
1973 wurden die Hit Comics mit der #254, bereits unter Betreuung des Williams
Verlags, eingestellt.
Ein Jahr später startete der Williams Verlag sein Marvel
Programm. In chronologischer Reihenfolge, neu übersetzt, handgelettert
und in Originalfarben erschienen alle zwei Wochen die populärsten
Marvel Serien in Deutschland. Diese Zeit wird im allgemeinen als das goldene
Zeitalter der Marvel Comics in Deutschland betrachtet. Die Hefte erfreuen
sich bis heute großer Beliebtheit. Trotz treuer Fan-Gemeinde währte
das Glück nicht lange. Die Verkaufszahlen waren eher bescheiden. Nach
und nach gingen alle Superheldenserien ein, bis auch als letztes im Mai
1979 Die Spinne mit der #137 eingestellt wurde.
Schon vor dem endgültigen Aus bei Williams hatte der Condor
Verlag ein Spinne Taschenbuch herausgegeben mit bis dahin unveröffentlichten
Serien Peter Parker, the spectacular Spider-Man und Marvel Team-Up. Das
erste Spinne Comicheft erschien 1980. Für Condor typisch war es dilettantisch
übersetzt und grauenhaft koloriert. Auch setzte es nicht dort an,
wo Williams aufgehört hatte (Amazing Spider-Man #136), sondern machte
bei #150 weiter. Die Amazing Spider-Man Ausgaben #137-149 sind bis dato
in Deutschland unveröffentlich. Die unsägliche Condor-Ära
fand erste 1996 ihr gnädiges Ende. Die Spinne #259 war die letzte
Condor Ausgabe.
Marvel hat jetzt selbst das Zepter in die Hand genommen. Unter dem
Namen "Marvel Deutschland", welches mit zur Verlagsgruppe Marvel
Comics/ Panini gehört, erscheinen seit 1997 Spider-Man und andere
Marvel Superhelden. Dieser vielversprechende Neuanfang orientiert sich
eng an den US-Originalausgaben und versucht auch Neueinsteigern die Vielfalt
des Marvel Universums näher zubringen.